Myrten lassen sich wie die meisten Pflanzenarten geschlechtlich (durch Samen) oder vegetativ (durch Stecklinge, Ableger, u.s.w.) vermehren. Dabei gibt es jedoch artspezifische Besonderheiten, die im Folgenden beschrieben werden.
Aussaat
Myrten lassen sich relativ einfach durch Samen vermehren. Dabei sollten die Samenkörner möglichst bald nach der Ernte ausgesät werden. Zuvor das Fruchtfleisch entfernen und die Samen 2 bis 3 Tage trocknen lassen. Die bis über 30 Samen pro Frucht sind etwa 2 bis 3 Millimeter groß. Samen von Kübelpflanzen in unseren Breiten sind etwas kleiner (oberes Bild) als solche aus dem natürlichen Verbreitungsgebiet der Myrte (unteres Bild).
Die Keimdauer ist abhängig von zahlreichen Faktoren, wie Bodentemperatur, gleichmäßige Feuchtigkeit, Vorbehandlung der Samen usw. Bei Zimmertemperatur liegt sie meist zwischen 2 und 6 Wochen. Es können aber von derselben Aussaat auch noch nach über 2 Monaten Samen keimen. Ein Vorquellen der Samen für 48 Stunden in lauwarmem Wasser wirkt sich günstig auf die Keimung aus und kann die Keimdauer verkürzen. (siehe auch: Keimdauer einiger Myrtengewächse)
Viele Pflanzenarten bilden die männlichen und weiblichen Blütenteile zeitlich versetzt aus, um eine Selbstbestäubung zu verhindern. Nicht so die Myrte; hier ist Selbstbestäubung durchaus möglich, vor allem bei Zimmerpflanzen, die künstlich bestäubt werden. Die Früchte reifen auch heran und bilden Samen aus. Allerdings wachsen die daraus keimenden Pflanzen sehr schwächlich, sind anfälliger für Schädlinge und bleiben oft (trotz guter Pflege) nur wenige Jahre am Leben. Möglicherweise wird so von der Natur eine genetische Degeneration der Pflanzenart verhindert. Myrten, die aus Samen keimen, welche in der Natur gesammelt wurden oder die aus Gewächshäusern mit vielen Pflanzen stammen, wachsen ganz normal zu gesunden und kräftigen Büschen heran. Eine weitere mögliche Ursache für die Probleme der Samenvermehrung der Zimmer-Myrten ist weiter unten geschildert.
Die Keimrate beträgt bei unsortierten Samen ca. 65%. Allerdings geschieht es häufig, dass es die Keimlinge nicht schaffen, sich aus der harten Samenschale zu befreien. Dadurch können noch bis zur Hälfte der zunächst keimenden Pflanzen verkümmern, so dass die Gesamterfolgsquote bei etwa einem Drittel liegt.
Die beiden folgenden Jungpflanzen sind etwa zwei Wochen alt:
normaler Sämling
seltene dreiblättrige Form, M. c. "Trifolia"
Jungpflanzen aus Samen, ca. 6 Monate alt
Als Besonderheit ist noch anzumerken, dass aus den Samen der Wildform mit ihren großen Blättern zu einem geringen Prozentsatz auch andere Sorten wachsen (möglicherweise Mutationen); so z.B. die oben abgebildete dreiblättrige Form oder auch kleinblättrige Varianten (siehe unten). Eventuell stammen auch alle Zierformen (Myrtus communis "Microphylla"), die heute als Zimmerpflanzen verbreitet sind, von solchen anders geformten Pflanzen ab. Das könnte auch eine Ursache dafür sein, warum die Samenvermehrung von Zimmer-Myrten schwieriger ist als die der Wildform.
Beide Jungpflanzen sind ca. 3 Monate alt
und wurden aus Samen derselben Mutterpflanze gezogen.
Stecklinge
Schneller als die Aussaat führt die Stecklingsvermehrung zum Erfolg. Stecklinge können das ganze Jahr über gesammelt werden. Die Bewurzelung in Wasser ist problemlos und deshalb vorzuziehen. Die Stecklinge sollten leicht verholzt und ca. 10 - 20 cm lang sein. Sofort nach dem Schneiden stellt man sie in Wasser. Die Zeit bis zur Bewurzelung und die Erfolgsquote hängen stark von der Jahreszeit und dem Zustand der Stecklinge ab. Frische Stecklinge, die im Sommer geschnitten wurden bewurzeln sich in ca. 3 Wochen mit einer Erfolgsquote von etwa 90%. Sind die Stecklinge 12 Stunden alt (z.B. beim Sammeln in der Natur) sinkt der Erfolg auf 40%. Im Winter kann die Dauer durchaus 3 Monate betragen. Die Erfolgsquote sinkt dann selbst bei frischen Stecklingen auf etwa 70%.
Bei der Stecklingsvermehrung ist es genau umgekehrt wie bei der Aussaat - Zimmer-Myrten der Sorte "Microphylla" bewurzeln sich leichter und schneller als Stecklinge der Wildform.
Zur Vorbereitung entfernt man an den Stecklingen die Blätter in dem Bereich, der im Wasser steht. Die Schnittfläche sollte möglichst groß sein, also schräg anschneiden. Noch besser ist es, den Zweig, der als Steckling dienen soll, vom Ast, an dem er sich befindet, abzureißen und ein Stück des sogenannten Bartes stehen zu lassen. Außerdem sollte die Spitze etwas eingekürzt werden, um die Blattmasse und damit die Verdunstung zu verringern.
frisch abgerissene Stecklinge
Blätter im unteren Bereich entfernt und Spitzen eingekürzt
links: Abrissstelle mit sogenanntem "Bart"
rechts: "Bart" eingekürzt
nach ca. 3 Wochen
nach ca. 2 Monaten
Es sollten dunkle Gefäße zur Eindämmung der Algenbildung verwendet werden, was aber im Sommer wegen der kurzen Bewurzelungszeit nicht unbedingt erforderlich ist. Als Standort empfiehlt sich ein warmer, heller Platz im Zimmer, der jedoch ohne direkte Sonneneinstrahlung ist. Die Verwendung von Leitungswasser zur Keimeindämmung und die Zugabe zerriebener Holzkohle wirken sich günstig aus. Sobald sich die ersten Wurzelspitzen zeigen, sollte das Wasser nicht mehr gewechselt werden, da es sonst zu einer Stockung der Wurzelbildung kommt. Nach dem Eintopfen kann das verbliebene Wasser, sofern es nicht durch Algen verunreinigt ist, für weitere Stecklinge verwendet werden. Die offenbar von der Pflanze abgegebenen Substanzen wirken sich positiv auf die Bewurzelung aus. Haben sich genügend Wurzeln gebildet, ist die Umstellung auf Erde problemlos. In der ersten Zeit sollten die Pflanzen schattig gestellt und etwas stärker gegossen werden.
Zur Vermehrung in Erde steckt man mehrere Stecklinge an den Rand eines Blumentopfes in ein übliches Vermehrungssubstrat (im Handel erhältlich). Dann stülpt man einen Plastikbeutel oder ein Glas über den Topf und stellt ihn an einen hellen, nicht sonnigen Platz. Eine möglichst gleichbleibende Temperatur von 16 - 21 °C sorgt zusätzlich für ideale Wachstumsbedingungen. Dass die Pflanzen beginnen zu wurzeln erkennt man daran, dass sie anfangen zu wachsen. Etwa 3 Wochen später pflanzt man sie einzeln in Töpfe in die für ausgewachsene Pflanzen empfohlene Erde. Danach werden die Jungpflanzen wie große Exemplare behandelt, allerdings sollte man mit dem Schneiden einige Zeit warten, damit sich die Pflanzen ausreichend gestärkt haben.
Abmoosen
Das Abmoosen ist eine Vermehrungstechnik, bei der ein Zweig oder Ast am Baum oder Strauch bewurzelt wird. Die beste Jahreszeit dafür ist das Frühjahr. Bei Myrten kann man es aber prinzipiell zu jeder Jahreszeit durchführen, mitunter kann es aber bis zu einigen Monaten dauern, bis sich Wurzeln gebildet haben.
Zunächst schält man einen Rindenstreifen ab (s. Abb. 1), der etwa genau so breit sein sollte, wie der Ast dick ist. Anschließend schneidet man eine(!) Lage eines Papiertaschentuchs auf die gleiche Breite zu. Dieses wird mit in Wasser angerührtem Bewurzelungspulver getränkt und um die abgeschälte Stelle gewickelt (nur eine Schicht!). Darum kommt ein etwa faustgroßes Stück feuchtes Moos (s. Abb. 2) und zum Abschluss durchsichtige Folie (s. Abb. 3), so kann man sehen, wenn sich genügend Wurzeln gebildet haben. Von Zeit zu Zeit sollte man per Injektion mit einer Spritze Wasser nachfüllen, so dass das Moos nie austrocknet. Während der gesamten Zeit des Abmoosens sollte die Pflanze nicht in der vollen Sonnen stehen.
Haben sich genügend Wurzeln gebildet, was man durch die Folie gut erkennen kann, schneidet man den Ast am unteren Folienende ab. Die Schnittstelle sollte zur Desinfektion und zum Schutz vor Fäulnis mit zerriebener Holzkohle bestäubt werden. Danach entfernt man vorsichtig die Folie und topft die neu entstandene Pflanze ein. Das Moos sollte nicht entfernt werden, um die neuen Wurzeln nicht zu beschädigen. Mit der Zeit verrottet es von selbst. Die Pflanze sollte die ersten Wochen reichlich gegossen werden und schattig stehen.